Unsere Olympia-Ruderin Carlotta Nwajide (2. v.l.) legt ein Pausenjahr ein auf dem Weg zu den Spielen 2024 in Paris: Konzentration aufs Studium, kein WM-Start in 2022. Im Gespräch mit unserem Präsidenten Julius Peschel sagt unsere 26-jährige Ausnahmeathletin, warum die Auszeit jetzt für sie wichtig ist, weshalb sie einen „Fokuswechsel“ braucht, wann und wie sie wieder angreifen will in Richtung Olympia und warum sie dem DRC und ihrem Trainer Thorsten Zimmer treu bleibt.
Frage: Carlotta, du hast im Anschluss an die Olympischen Spiele und deiner Rückkehr nach Deutschland erst einmal durchgeatmet. Über deine Erlebnisse in Tokio hast du uns beim Olympia-Empfang im August schon erzählt. Was hast Du seitdem so gemacht, nachdem Rudern erstmal raus aus dem Fokus war?
Carlotta: Seit Tokio ist viel passiert. Ich war im Urlaub, bin umgezogen, habe mein Studium wieder aufgenommen und war an verschiedenen Projekten beteiligt. Alles kann ich noch nicht verraten, aber ich habe zum Beispiel Anti-Rassismus Workshops gegeben, ein bisschen bei Fridays for Future mitgeholfen, Podcasts aufgenommen und nächste Woche bin ich bei Markus Lanz zum Jahresrückblick eingeladen. Ich habe es aber auch genossen, mal mehr Zeit mit meinen Freund*innen und meiner Familie verbringen zu können.
Frage: Nun hast du dich entschieden und möchtest ein Pausenjahr einlegen. Alle, die schon einmal über das Ende einer Leistungssportkarriere nachgedacht haben, wissen, wie schwer so eine Entscheidung ist. Wie zufrieden bist du damit?
Carlotta: Das Entscheidung ein Pausenjahr zu machen, ist erstmal eine Erleichterung, auch wenn sie mir nicht ganz leichtgefallen ist. Ich kann jetzt vor allem mal etwas durchatmen und mit etwas Abstand auf meine bisherige Ruderkarriere blicken, aber auch außerhalb des Ruderns herausfinden, wie ich mein Leben eigentlich gestalten möchte. Das ist neben dem Leistungssport nicht immer einfach, da wir über Jahre in sehr feste Strukturen mit sehr wenig Zeit außerhalb des Sports eingebettet sind. Natürlich kann und muss ich auch meinen Verpflichtungen nachkommen, die während der mehrjährigen Vorbereitung auf die Olympischen Spiele auf der Strecke geblieben sind. Ich werde im kommenden Jahr endlich meinen Bachelor abschließen. Von daher bin ich sehr zufrieden, dass ich auch in anderen Lebensbereichen vorankomme, denn auch wenn ich gerne rudere, werde ich davon in Zukunft nicht leben können.
Frage: Pausenjahr bedeutet ja auch, dass du danach gerne weitermachen willst. Auch wenn die Olympischen Spiele in Paris 2024 noch etwas hin sind: Ist es ein Ziel von dir, dort an den Start zu gehen?
Carlotta: Genau, Olympia 2024 ist und bleibt mein Ziel. Ich trainiere auch nach wie vor, nur etwas weniger, abwechslungsreicher zeitlich flexibel. Ein Grund, weshalb ich das Pausenjahr mache, ist auch, damit ich mich in den kommenden Jahren wieder intensiv auf die Olympischen Spiele vorbereiten kann. Durch die Verschiebung der Spiele wurde mein ganzer Studienplan durcheinandergebracht. Mir fehlen Module wie zum Beispiel ein Praktikum und Exkursionen, ohne die ich mein Studium nicht abschließen kann. Im Hinblick auf Paris ist also nur jetzt Zeit dafür. Gleichzeitig verschaffen mir das Jahr Pause und der Fokuswechsel wiederum Freiheit, mich ab dem nächsten Jahr ungestört auf Olympia 2024 vorzubereiten.
Frage: Im deutschen Spitzen-Rudern herrscht derzeit große Umbruchstimmung: Viele Top-Athlet*innen habe ihre Karrieren beendet, andere pausieren wie du, einige wechseln sogar Stützpunkt und Verein und auch an den Trainer*innenposition verschiebt sich so manches. Welche Bedeutung wird angesichts dieser Veränderungen die Bindung an deinen Heimatverein und –stützpunkt in Hannover für dich haben?
Carlotta: Die Bindung nach Hannover bleibt für mich nach wie vor bestehen. Einerseits weiß ich die Unterstützung des DRC sehr zu schätzen und ich fühle mich immer wieder zu Hause, wenn ich in Hannover und am Bootshaus bin. Andererseits kann ich auf die Bindung nach Hannover gar nicht verzichten. Während der letzten Olympiavorbereitung habe ich regelmäßig in Hannover, gemeinsam mit Thorsten, trainiert, um vor allem an meiner Technik zu arbeiten. In meinem ersten Jahr in Berlin habe ich mich zwar physisch weiterentwickelt, technisch kam im Boot leider nicht so viel davon an, sodass ich fast nicht mehr mit zur WM gefahren wäre. Seitdem komme ich wieder regelmäßig her. Das habe ich auch in der Vorbereitung auf Paris vor. Über Silvester fahre ich übrigens auch mit dem DRC und Thorsten ins Trainingslager, da werden wir natürlich auch etwas machen.
Volle Konzentration auf 2024: Carlotta Nwajide
Fragen: Julius Peschel, Foto oben: Merjin Soeters, Foto unten: Detlev Seyb