Fragen und Antworten: In einer neuen Serie stellt das LSB-Magazin des Landessportbundes Niedersachsen Trainerinnen und Trainer aus Vereinen vor, die im Rahmen des LSB-Programms „Nachwuchsleistungssport im Verein“ gefördert werden. Nach einer außerordentlich erfolgreichen Saison sagt unser 34-jähriger Trainer und Sportlicher Leiter Thorsten Zimmer in der Oktober-Ausgabe, worauf es ihm ankommt im Hocheistungssport, welche Prinzipien er verfolgt, Sportler stark zu machen, und wie es sportlich weitergeht:
Wie sind Sie zu Ihrer Trainertätigkeit gekommen?
Ich habe selbst schon viele Jahre gerudert und auch vier Jahre als Jugendlicher Leistungssport betrieben. Das war allerdings nicht sonderlich erfolgreich, sodass ich mit 18 Jahren dann die Seite gewechselt habe und als Trainer aktiv wurde. Zunächst habe ich Jugendliche betreut. Mit der Zeit hat sich die Arbeit dann intensiviert und ich bin mit meinen Athleten sozusagen mitgewachsen in höhere Altersklassen.
Welche Sportlerinnen und Sportler trainieren Sie?
Ich betreue als Teil eines Trainerteams Ruderer, die am Bundesstützpunkt und am Olympiastützpunkt trainieren. Sie kommen vermehrt aus den hannoverschen Vereinen, aber einige sind für das Rudern und ihr Studium nach Hannover gezogen. Derzeit gibt es eine starke Frauengruppe am Standort, sodass mein Schwerpunkt in der Betreuung in den letzten Jahren dort lag. Die meisten der Sportlerinnen und Sportler sind Mitglied in der Nationalmannschaft oder haben die Qualifikation als Zielstellung. Drei Sportlerinnen haben in diesem Jahr an der A-Weltmeisterschaft teilgenommen und Medaillen gewonnen*. Allerdings gibt es inzwischen auch gute Nachwuchskräfte im U23-Bereich, die bereits internationale Erfolge erzielt haben.
* (Redaktionelle Aktualisierung: Caroline Meyer (Trier), Marie-Cathérine Arnold (HRC), unsere Carlotta Nwajide)
Wie erleben Sie den Nachwuchs beim Training?
Mein Eindruck ist, dass die meisten Nachwuchssportler zwar auf eine gewisse Weise sehr motiviert sind, aber aufgrund diverser gestiegener Anforderungen, vor allem hinsichtlich der beruflichen Ausbildung, immer weniger die Fähigkeit besitzen, sich voll und ganz auf den Sport fokussieren zu können. Ihnen selbst würde ich das nie als Vorwurf formulieren, allerdings müssen wir alle uns Gedanken machen, wie wir diesem Trend begegnen, gerade weil der internationale Vergleich eindeutig zeigt, dass selbst in der vermeintlichen Randsportart Rudern fast nur noch unter Profibedingungen gearbeitet wird.
Was sind ihre sportlichen Ziele?
Natürlich stand und steht Tokio als oberstes Ziel für einige Athleten, die ich bis dahin begleiten werde. Obwohl die Sportler ihren Trainingsmittelpunkt ab diesem Winter an den Bundesstützpunkten der jeweiligen Disziplin haben werden, erhalten sie natürlich weiterhin volle Unterstützung aus Hannover. Weitere Ziele würde ich weniger in Medaillen und Platzierungen festmachen. Vielmehr haben wir uns im Trainerteam von Landes-, Stützpunkt- und Vereinsvertretern das Ziel gesetzt, gerade im Nachwuchsbereich noch größer und besser zu werden. Ein Schwerpunkt wird sicher bleiben, mehr weiblichen Nachwuchs „ins Boot zu holen“ bzw. die neu gewonnenen Nachwuchskräfte an die nationale Spitze heranzuführen.
Wieviel Zeit investieren Sie durchschnittlich in ihre wöchentliche Trainertätigkeit?
Das ist schwer zu sagen und hängt auch immer von den jeweiligen Phasen im Jahr ab. Im Winter und Frühjahr trainieren wir sehr viel und sind auch viel unterwegs. Die Sportler trainieren in der Regel zwei Mal am Tag. Seit einigen Jahren hat sich die Zusammenarbeit mit Verband und OSP zunehmend intensiviert, sodass ich schwerpunktmäßig das tägliche Wassertraining durchführe.
Welchen Prinzipien folgt ihre Trainingskonzeption?
Mir ist besonders wichtig, dass die Athleten sehr frühzeitig selbstständig werden und einen eigenen Weg für sich formulieren. Sie müssen erkennen, ob sie etwas wirklich wollen oder sie sich den Erfolg nur wünschen. Dazu gehört auch, sie manchmal mit Einsichten zu konfrontieren, die unangenehm und unbequem sind. Aber das gehört dazu und ich habe die Erfahrung gemacht, dass wesentliche Gespräche oft eine langfristig wertvollere Investition sind als ein paar Einheiten auf dem Wasser. Wenn sie klar mit sich selbst sind, läuft vieles von selbst.
Wieviel Zeit investieren Sie für ihre eigene fachspezifische Weiterbildung?
Leider noch zu wenig. Durch meine Lehrertätigkeit an der Humboldtschule und den hohen zeitlichen Aufwand des Trainings spielt der zeitliche Faktor eine Rolle. Glücklicherweise bin ich gezwungen, meine Lizenz regelmäßig zu verlängern. In diesem Herbst findet zum Beispiel eine internationale Konferenz zur Trainingssteuerung in Berlin statt, an der ich teilnehme. Ich hätte gern mehr Zeit dafür.
Wie findet ein inhaltlicher Austausch mit Trainerkollegen innerhalb und außerhalb ihres Vereins statt?
udern ist als Sportart so klein, dass wir Trainer uns alle gut untereinander kennen. Da wir meist an denselben Trainingsstätten trainieren, sehen wir uns regelmäßig und tauschen uns aus. Aber natürlich gibt es auch regelmäßige Trainertreffen in Hannover und niedersachsenweit. Auch weil sich Mannschaftsboote immer wieder neu zusammensetzen, ist eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit unverzichtbar.
Arbeiten Sie bei Talentsuche mit Schulen zusammen?
Ich selbst bin an der Talentsuche gerade wenig beteiligt. Aber das Schülerrudern hat eine sehr große Bedeutung, da sehr viele der erfolgreichsten Ruderer im Schulrudern ihre sportliche Heimat haben. Hannover hat eine lange Tradition im Schülerrudern und viele eigene Vereine mit eigenen Trainern. Das ist natürlich ein großer Vorteil und die Zusammenarbeit wollen wir in Zukunft weiter intensivieren.
Wie beurteilen Sie Ihre Position im Verein?
Als ein Vertreter des Leistungssports stehen die Ruderer und auch ich natürlich immer etwas mehr im Mittelpunkt als andere im Verein. Das ist schön. Es bedeutet aber auch, dass es immer wieder kritische Stimmen gibt, warum der Verein einen so immensen personellen, ideellen und vor allem finanziellen Aufwand für eine so geringe Zahl an Mitgliedern betreibt. Vor allem durch ein gutes Miteinander und viele ehrenamtlich Engagierte ist die Stimmung in den hannoverschen Vereinen gut. Die große Förderung des Leistungssports ist aber keine Selbstverständlichkeit und wir müssen auch unseren Teil dafür tun, dass es so bleibt.
Wie beurteilen Sie die öffentliche Wahrnehmung Ihrer Tätigkeit?
Ehrlich gesagt kann ich das gar nicht so genau sagen. Natürlich steht man als Trainer immer weniger im Vordergrund als die Athleten, gerade auch dann, wenn man die Sportler im Laufe der Saison an die Bundestrainer abgibt. Aber das ist wahrscheinlich normal und damit komme ich gut klar. Denn ich habe schon das Gefühl, dass Rudern, dafür, dass es eine Randsportart ist, in Hannover recht präsent und gut vertreten ist.
Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie aktuell für Ihre Tätigkeit?
Eigentlich ist es immer der Spagat, den ich zwischen der Trainertätigkeit und meiner Lehrertätigkeit schaffen muss. Ich habe gerade das Glück, dass meine Tätigkeit und ich sehr durch meinen Schulleiter unterstützt werden. Trotzdem ist es in bestimmten Phasen anstrengend und auch die Tatsache, dass die Tätigkeit mittel- und langfristig nicht abgesichert ist, ist manchmal belastend. Aber ich habe es mir auch selbst ausgesucht, Lehrer und Trainer sein zu wollen.
Welche Anregungen haben Sie zur Förderung des Leistungssports in Niedersachsen?
Dadurch, dass Leistungssport in vielen Sportarten als Amateursportart betrieben wird und wir gegenüber einigen anderen Nationen dadurch einen Nachteil haben, ist es in meinen Augen wichtig, dass die Förderung des Leistungssports und auch der Leistungssportler sehr gezielt und flexibel eingesetzt werden kann. In der Trainingsplanung und -steuerung gibt es den zunehmenden Trend der Individualisierung, den ich mir auch gut im Bereich der Sportförderung vorstellen könnte.
Quelle: LSB-Magazin 10/2018 (hier im Original als Download)