Die Reise nach Schamaika

Von Oliver Puncken
Mit unserer Ankunft am kleinen Steg ein paar zehn Meter nördlich vom Ruderverein Osterholz-Scharmbeck beginnt sie wieder: Eine Wanderfahrt in die Welt der Phantasie, der Hexen und Geister – geheimnisvoll, schauerlich, mystisch. Seit nunmehr einigen Jahren lassen wir uns regelmäßig – mal mehr, mal weniger zahlreich – bei der Teufelsmoorrallye blicken, die der RV-Osch alljährlich ausrichtet. Schauergeschichten von Moorleichen und menschenfressenden Riesen sind nur etwas für starke Nerven. Gut also, dass wir auch in diesem Jahr nicht alleine unterwegs sind, sondern von Gruppen anderer Ruderer, Kanuten und mit Touris besetzter Torfkähne umringt werden.

Auf die Vorfahrt tags zuvor haben wir allerdings verzichtet – damit hätten wir schließlich das Anrudern am heimischen Gewässer verpasst. Statt dessen unternehmen wir auch in diesem Jahr wieder unsere eigene Mini-Vorfahrt zur Ritterhuder Schleuse, um tatsächlich auf jene „mindestens 30km“ zu kommen, die die Tour zur Wanderfahrt machen. Nach der Wende führte die Fahrt auf dem modrig-schwarzen Hammewasser gen Osten vorbei am Waakhauser Polder und an den Hammehütten „Melchers Hütte“ und „Neu Helgoland“. Wie einst den Torfschiffern bieten sie nun auch Ruderern die Möglichkeit zur Rast. Uns jedoch treibt es erstmal weiter in Richtung Teufelsmoorschleuse nach Schamaika.

Dieses Gasthaus direkt an der Hamme wird von einer Gruppe behinderter Menschen geführt. Wir wissen bereits, dass wir hier gut aufgehoben sind und zu moderaten Preisen mit Kuchen, Kaffee, Kaltgetränken, Currywurst und anderen Kleinigkeiten oder (für die TeilnehmerInnen, für die ein voller Magen nichts mit einer eingeschränkten Rückruderbereitschaft zu tun hat) einer vollwertigen Mahlzeit versorgt werden. Entstanden ist dieser Ort, weil die Behindertengruppe von einem Urlaub in Jamaika träumte und sich bei einem Spaziergang an der Hamme kurzerhand entschloss, sich den langen Weg zu sparen und ihre eigene kleine Oase aufzubauen.

Der Rückweg in Richtung RV-Osch gestaltete sich dank Gegenwind streckenweise als mühselig, aber damit haben sich die Schiffer von der Hamme wohl schon vor über zweihundert Jahren herumgeärgert, wenn sie den Torf vom Dorf nach Bremen bringen wollten. Schon damals war so eine Fahrt handfeste Arbeit, auch wenn man Segel statt Skulls dabei hatte, denn wenn das für den Vortrieb nicht reichte, mussten die Frauen vom Ufer aus nachhelfen und das Gefährt „treideln“ (ziehen). Wir schaffen es schließlich auch ohne fremde Hilfe und biegen wieder in den schmalen Hafenkanal ein, der von der Hamme in Richtung Osterholz führt. Der schlammige Parkplatz mit unserem Trailer kommt in Sicht und schnell sind die Boote abgeriggert und aufgeladen, denn wer noch eine der hervorragenden Bratwürste vom Grill des RV-Osch ergattern will, sollte tunlichst rechtzeitig zurück sein. Doch dazu würde unser Ehrenpräsident Gerdchen Weingardt sicher sagen: „Bislang ist es noch immer gut gegangen.“

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